Schamanisches Ritual „Lime Cutting Ritual“

Zu den Heilungsritualen der Yakadura, der Schamanen Sri Lankas, gehört das „lime cutting ritual“.

Rolf beim lime cutting ritual
(Rolf beim lime cutting ritual. Im Vordergrund zu sehen sind die Räucherschale mit Glut und die Schüssel mit Wasser und den bereits verbrauchten Limonen)

Dabei handelt es sich um ein Ritual zur „Extraktion von Eindringlingen“. Was bedeutet das?

Im singhalesischen Schamanentum gibt es, wie in anderen schamanischen Kulturen auch, die Vorstellung einer Seele. Die Seele ist unser Geist, unser Spirit. Neben unserer Seele, unserem Spirit, gibt es natürlich noch weitere Spirits, schließlich ist alles beseelt in der Natur. Darüber hinaus gibt es Spirits, die keines physischen Körpers habhaft sind. Das können z.B. die Seelen von Verstorbenen sein. Ferner gibt es in der Vorstellung speziell der singhalesischen Schamanen auch Spirits, die nie einen Körper hatten und von Anbeginn der Zeit, also der Schöpfung, da waren. Hier gibt es einen eigene Schöpfungsgeschichte der Entstehung der Dämonen, die Überlieferung des Suniyam Yakka.

Es ist also ganz schön was unterwegs an Spirits. Nun kommt es vor, das solche Spirits in unsere Seele eindringen und sich dort festsetzen. Das kann verschiedene Auslöser und Gründe haben. Zunächst muss das nicht zur Krankheit oder zu Beeinträchtigungen führen, kann aber. Dann hat der Client ein natürliches Bedürfnis, diesen Eindringling wieder los zu werden. Der Schamane muss den Eindringling heraus holen, also extrahieren und alsdann „entsorgen“, d.h. dafür Sorge tragen, das der Eindringling nicht zurück kehrt.

lime cutting ceremonie
(Die Limone wird im Messer eingeklemmt)

Eine Limone wird vom Schamanen in ein Limonenmesser eingeklemmt. Das Limonenmesser ist ein übliches Küchengerät der Singhalesen. Die Limone und das Messer werden im Rauch des Resin geräuchert und gereinigt. Alsdann führt der Yakadura (singh.: Schamane) das Messer mit der Limone am Körper des Clienten entlang und spricht dabei Gebete auf Pali.

lime cutting ceremony
(Das Messer mit der Limone wird am Körper der Clientin entlang geführt=

Dabei versenkt sich der Yakadura in den Clienten und folgt mit dem Messer seiner Eingebung. Es gibt also keinen vorgeschriebenen Weg des Messers am Körper entlang, sondern der Yakadura lässt sich leiten, während er das Mantra spricht. Dann schließlich, mit einem Ruck, presst er das Messer zusammen und zerschneidet die Limone in zwei Hälften. Diese werden in einer Schüssel mit Wasser „zwischengelagert“.

Dies geschieht etliche Male, das Ritual kann bis zu zwei, drei Stunden dauern. Daran, ob die Limonenhälften mit der Schale oder dem Fruchtfleisch im Wasser nach oben schwimmen kann der Yakadura sehen, ob er einen Eindringlich oder Teile davon entfernt hat: War er erfolgreich, schwimmt die Limonenhälfte mit der Schale nach oben im Wasser.

So habe ich es erlebt
Im Umfeld des Rituales geht es lebhaft zu. Schnell hat es sich herum gesprochen. Kinder laufen umher, Helfer assistieren dem Schamanen, Nachbarn kommen schauen. Keine Spur vom beschaulichen, tragenden Getue manch europäischer Neoschamanen. Es ist eben alltäglich, und doch ist es heilig. Die Nachbarn halten respektvollen Abstand, und, ganz unfassbar, die Kinder sind ganz still und schauen interessiert zu. Kein Gemecker, kein vulgäres Lachen, alle sind bei der Sache. Es entsteht eine kompakte Atmosphäre.

Erst später werde ich lernen, das die Anteilnahme Vieler am Wohlergehen des Einzelnen eine wichtige Rolle spielt. Nachträglich wird mein westlicher Verstand beruhigt, als ich von psychologischen Studien höre, die von so etwas wie einer „Heilung durch die Gruppe“ sprechen. Doch für den Moment ist es für mich ungewohnt. Schließlich sitze ich zu Hause immer alleine mit meinem Arzt im Behandlungszimmer.

Letztlich sind wir nicht da, weil uns wirklich etwas bedrückt und wir ein Leiden haben. Wir wollen ihn kennen lernen. Und er möchte uns eines seiner Heilungsrituale demonstrieren. Doch:

Das gleichmäßige Grummeln des Yakaduras nimmt auch mich mit. Seinem Messer folgend gehe ich mit meiner Aufmerksamkeit durch meinen Körper. Erst, als das Messer zu schnappt, merke ich: Ja, da war was! Woher weiß er das?! Ich bin überrascht! Ich spüre, wie er mit Präzision und Genauigkeit die „richtigen“ Stellen findet. Erst in den Tagen nach der Behandlung merke ich, das ich mich deutlich anders, aufgeräumter fühle. Wie auch immer, mein Knieschmerzen, die mich seit längerem plagen, sind weg – bis heute. Ebenso meine Kopfschmerzen.